In einer Evaluierung der laufenden EL-Reform schreibt Avenir Suisse:

Die Reform der EL sieht zurzeit vor, den Kapitalbezug aus der obligatorischen 2. Säule zu verbieten. Doch einerseits sind die erhofften Ersparnisse von 102 Mio. Fr. umstritten – dieser Schätzwert lässt nämlich die positiven Auswirkungen eines Kapitalbezugs ausser acht. Anderseits könnte sich diese Massnahme als Eigentor erweisen. Mit einem Mindestumwandlungssatz von 6,8% generiert nämlich jeder Neurentner, der sich für eine Rente entscheidet, einen Mutationsverlust von mindestens 50’000 Fr.

Dieser Betrag muss durch Quersubventionierungen zulasten der Aktiven gedeckt werden. Er sinkt oder fällt sogar ganz weg, wenn sich der Neurentner einen Teil oder die Gesamtheit seines BVG-Guthabens als Kapital auszahlen lässt, was heute auf fast jeden zweiten Versicherten zutrifft. Ein Verbot des Kapitalbezugs würde demnach zu einem starken Anstieg der Quersubventionierungen führen. Einige nicht umhüllende Kassen hätten Mühe, diese zu garantieren.

Hinzu kämen potenzielle Kosten im Zusammenhang mit der Besitzstandfinanzierung zugunsten der Übergangsgeneration bei der nächsten Reform der 2. Säule. Die AV2020 sah für diese Personen ein gleichbleibendes Rentenniveau vor, trotz der Senkung des Umwandlungssatzes, was kollektiv von allen Pensionskassen finanziert worden wäre. Für jene, die sich für den Kapitalbezug entscheiden, war keine Kompensation vorgesehen. Für die Übergangsgeneration (45 Jahre und älter bei der AV2020) hätte das Verbot des Kapitalbezugs Zusatzkosten von 200 Mio. Fr. pro Jahr bedeutet. Die Zukunft wird weisen, ob die Übergangsgeneration bei der nächsten Reform der 2. Säule auch so grosszügig definiert wird. Doch die Zusatzkosten, die sich durch ein Verbot des Kapitalbezugs ergeben, bleiben etwa gleich und werden die weiter oben beschriebenen erhofften EL-Einsparungen bei weitem aufheben.

Da das Stimmvolk die AV2020 bachab geschickt hat, wird die Reform der EL zu einem wichtigen Faktor bei der Suche nach einem neuen Kompromiss. Eine voreilige und isolierte Reform der Ergänzungsleistungen würde nicht nur die Möglichkeiten einschränken, die mittellosen Rentner gezielt zu unterstützen, sondern auch die Kosten für die Kompensationsmassnahmen bei einer Senkung des Umwandlungssatzes beeinflussen. Darum sollte nichts überstürzt werden. Auch wenn die AHV und die 2. Säule wahrscheinlich unabhängig voneinander reformiert werden, ist es unerlässlich, eine Gesamtvision unseres Vorsorgesystems zu entwickeln. Die Reform der Ergänzungsleistungen müsste sistiert werden, bis dieser umfassende Überblick wirklich vorliegt und die Umrisse der nächsten Reform der Altersvorsorge klar zu erkennen sind.

Avenir Suisse