Der Blick analysiert das Kräfteverhältnis zwischen National- und Ständerat. Dort Rechts-, hier Linksblock. Zum Schluss sitzt der Ständerat am längeren Hebel. Wie sich bei der AV2020 krass zeigte.

Geht es weiter wie in den letzten zwei Jahren, wird der Knatsch-Rekord aus der Legislatur 2007–2011 mit 30 Einigungskonferenzen mindestens egalisiert. In allen Legislaturen zuvor waren es weitaus weniger (siehe Grafik). «Die Fronten haben sich verhärtet », bestätigt der erfahrene CVP-Ständerat Konrad Graber (59). Heute werde weniger nach einem Konsens gesucht, selbst wegen Details komme es zu Einigungskonferenzen. 
imageDies sagt auch ein langjähriger Vertreter des Nationalrats, Christian Wasserfallen (36, FDP): «Beide Räte haben eine härtere Gangart eingelegt. » Zum grossen Zoff kommt es meist, wenn es FDP und SVP nicht gelingt, die CVP ins Boot zu holen. Zwar können sich die beiden Parteien rechts der Mitte im Nationalrat alleine durchsetzen. Denn seit den Wahlen 2015 haben sie 101 Sitze in der 200-köpfigen Kammer. Im Ständerat hingegen haben FDP und SVP mit 19 von 46 Sitzen wenig zu melden. Im Stöckli dominiert Mitte-links!

SP, Grüne und CVP können mit 26 Sitzen einem Geschäft locker ihren Stempel aufdrücken. Und das tun sie, wie die grosse Anzahl der Einigungskonferenzen beweist. Doch nicht nur das: Geht es hart auf hart, hat die Kleine Kammer die besseren Karten. Denn der dortige Mittelinks- Block ist stärker als der Rechtsblock im Nationalrat. Nur gerade drei Mal führte das Nachsitzen zu einem echten Kompromiss. In acht der bisher 15 Einigungskonferenzen liess der Ständerat hingegen seine Muskeln spielen und setzte sich durch. Nur gerade vier Nationalratsvorschläge überlebten die Endausmarchung.

Prominentestes Beispiel für die Ständerats-Dominanz ist die Rentenreform. Hier beharrten die Kantonsvertreter eisern auf den 70 Franken AHV-Zustupf. Gebracht hat es nichts: Das Stimmvolk versenkte die Vorlage vor zehn Tagen. Dasselbe Bild zeigte sich bei der Frauenquote in Unternehmen: Die Grosse Kammer wollte diese verschieben, die Kleine gewann das Seilziehen und beauftragte den Bundesrat, das Aktienrecht entsprechend anzupassen.

Die Macht des Ständerats zeigt sich jedoch nicht nur in Einigungskonferenzen. Sie entfaltet schon vorher eine psychologische Wirkung: «Der Nationalrat ist wegen der Stärke des Ständerats zu einem Weicheier-Verband mutiert, der zu schnell nachgibt», ärgert sich Ulrich Giezendanner (63, SVP). «Wie der Bundesrat in Brüssel, der vor Beginn der Verhandlungen schon mal Danke sagt.»