Hat die Minder-Initiative die Aktionärsdemokratie und die Kontrolle über die Manager gestärkt? Zweifel sind erlaubt und mit Blick auf die Auswirkungen auf Pensionskassen, welche Minder gezielt in seinen Kreuzzug einbinden wollte, sind auch negative Konsequenzen unübersehbar. In der NZZ hat Sergio Aiolfi die aktuelle Lage analysiert.

Nebst den Pluspunkten hat das Volksbegehren aber auch Auswirkungen gehabt, die der Aktionärsdemokratie kaum förderlich waren. So hat sich etwa die Regelung, wonach Schweizer Pensionskassen zur Abstimmung an Generalversammlungen verpflichtet sind, als Schuss nach hinten erwiesen. Verwalter vor allem kleiner und mittlerer Kassen haben oft nicht die Mittel und Kapazitäten, um an der GV jeder Firma, von der sie Aktien besitzen, zu jedem Traktandum ein informiertes Votum abzugeben. Um der Stimmpflicht zu entgehen, sind viele Vorsorgeeinrichtungen deshalb dazu übergegangen, anstelle von Aktien Fondsanteile zu kaufen, also ein indirektes Engagement einzugehen. Dass Schweizer Anleger wegen gestiegener Administrativkosten auf ihr Stimmrecht verzichten, ist ein von Minder wohl kaum vorausgesehener Nebeneffekt. (…)

Die Internationalisierung hat noch eine weitere Dimension. Der gewachsene Umfang der Berichte zu Vergütung und Corporate Governance hat dazu geführt, dass Investoren vermehrt die Dienste von professionellen Stimmrechtsberatern in Anspruch nehmen. Auch unter diesen Meinungsmachern dominieren die Ausländer. Die amerikanischen Unternehmen Institutional Shareholder Services (ISS) und Glass Lewis sind die Berater, die mit Abstand am meisten Gehör finden, nicht nur international, sondern auch in der Schweiz. Nach den Angaben von Branchenvertretern hat ISS am hiesigen Anleger-«Meinungsmarkt» einen Anteil von 20 bis 30 Prozent, Glass Lewis kommt auf 10 Prozent und die Schweizer Anlagestiftung Ethos auf bescheidene 3 Prozent. (…)

Die Erfahrung mit Minder zeigt fast schon lehrbuchhaft, wie illusorisch es ist, Corporate Governance und Aktionärsdemokratie mithilfe von gesetzlichen Vorgaben in allen Details bestimmen zu wollen: Selten kommt das heraus, was man beabsichtigte. Das Aktienrecht sollte nicht als Instrument betrachtet werden, um die beste aller Welten zu schaffen. Es hat die Aufgabe, die Machtverteilung zwischen Aktionären, Verwaltungsrat und Geschäftsleitung zu regeln. Die richtige Balance zu finden, sollte Sache der Unternehmen sein. Sie bilden die Basis der Aktionärsdemokratie.

  NZZ