Jérôme Cosandey von Avenir Suisse erinnert an die Bedeutung der realen Verzinsung im BVG, während die aktuelle Auseinandersetzung sich meist um die nominellen Grössen dreht. Er schreibt:

Die technische Debatte rund um den Mindestzins läuft am eigentlichen Problem vorbei, weil sie sich nur auf nominale Werte, unabhängig vom inflationären Umfeld, bezieht. Als Sparer ist es jedoch entscheidend zu wissen, inwieweit die Verzinsung des Sparkapitals von der Inflation zunichte gemacht wird. Eine Mindestverzinsung von 4% – wie sie bei der Einführung der beruflichen Vorsorge 1985 bis 2003 vorgegeben wurde – scheint im ersten Moment interessanter, als die 1,75%, die für 2015 gelten. Doch 4% Verzinsung nützt wenig, wenn im gleichen Jahr die Preise über 5% steigen, wie dies zum Beispiel 1990 der Fall war (siehe Tabelle). Am Ende des Tages verliert der Sparer Geld, weil die Verzinsung des Kapitals den Kaufkraftverlust aufgrund der Teuerung nicht kompensiert. Umgekehrt erleben wir 2015 eine negative Inflation von -1,0 %. Bei gleichem nominalem Vermögen steigt die Kaufkraft der Sparer, weil der durchschnittliche Warenkorb um 1% billiger wird. Trotz nominalen Mindestzins von 1,75% profitieren folglich die BVG-Versicherten 2015 von einer realen Verzinsung von 2,75% – vier Mal mehr als bei der Einführung des BVG-Obligatorium (1985: 0,6%, siehe Tabelle). Ähnlich betrug 2003, als der nominale Mindestzins zum ersten Mal reduziert wurde, die reale Verzinsung des Altersguthabens 2,6%. Doch die damalige, nominale Reduktion des Mindestzinses war vielen ein Dorn im Auge und Anlass zur Einführung des Rentenklau-Begriffes.

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Die Vermischung von nominalen und realen Zinsen tangiert nicht nur die Festlegung des Mindestzinses. Im aktuellen Tiefzinsumfeld ist immer wieder der Vorwurf zu hören, dass das Kapitaldeckungsverfahren der zweiten Säule bei Renditen unter 2% keine Berechtigung mehr hat. Auch hier fusst die Aussage jedoch auf einer rein nominalen Betrachtung. Solange die Verzinsung der BVG-Kapitalien real grösser als Null ist, ist das Kapitaldeckungsverfahren immer noch interessant, weil der dritte Beitragszahler das Vermögen real wachsen lässt. Das heisst: Die Kaufkraft der angesparten Beiträge wird – selbst bei negativen Nominalrenditen – nicht nur bis zum Pensionierungszeitpunkt erhalten, sondern erhöht. Und das ist schliesslich, was für einen künftigen Rentner zählt.

Avenir Suisse