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Kaspar Müller tritt im Juni nach 18 Jahren als Präsident der Stiftung Ethos ab. Im cash-Interview blickt er auf die nächsten Generalversammlungen – und hält Rückschau auf ein bewegtes Stück Schweizer Aktionärsgeschichte. Auszüge:

Inwieweit haben die Unternehmen die Vorgaben der Minder-Initiative umgesetzt?
Viele Firmen haben das schon 2014 getan. Wir haben aber diverse Schwachpunkte moniert und deshalb nur in 33 Prozent der Fälle Ja gestimmt, im Schnitt wurden die entsprechenden Statutenänderungen aber mit 88 Prozent der Stimmen angenommen. Dieser Unterschied erklärt sich weitgehend damit, dass über diese Änderungen bloss im Paket abgestimmt werden konnte. Da wurde eben die Einheit der Materie verletzt, indem z.B. Lohnfragen und Konkurrenzklauseln in einem Paket kombiniert wurden. Kritischster Punkt war und bleibt, dass viele Unternehmen schon im Vornherein über den variablen Teil der Vergütung des kommenden Geschäftsjahres, also den Bonus, abstimmen wollen. Es ist doch evident: Über die variable Vergütung kann man nur am Ende des Geschäftsjahres, wenn die Resultate bekannt sind, also retrospektiv abstimmen. Dies erlaubt es den Aktionären die Verbindung zwischen variabler Vergütungen und erzielter Leistung zu bewerten. Der Bundesrat erachtet übrigens im Vorentwurf des Gesetzes für Aktiengesellschaften prospektive Abstimmungen über variable Vergütungen als unzulässig.

Ethos war ja nicht in allen Punkten mit der Minder-Initiative einverstanden. Brauchte es die Initiative, um den nötigen Schwung in die Vergütungsdiskussion zu bringen?
Ethos befasst sich mit den Löhnen als Governance-Thema schon seit 2004, also noch vor der Finanzkrise. Wir pochten immer auf konsultative Abstimmungen, also auf Selbstregulierung. Das wollten viele Unternehmen nicht annehmen und sagten: Wir warten auf das Gesetz. Und jetzt, wo das Gesetz da ist, verpuffen viele ihre Energie damit, Lösungen zu finden, die dem Geist der Initiative widersprechen. Damit habe ich Mühe, das ist doch nicht unternehmerisches Denken.

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