Peter Bernholz, Währungstheoretiker und emeritierter Professor der Uni Basel, äussert sich in einem Weltwoche-Interview zu aktuellen Fragen der Währungspolitik. Dabei kommen auch die Negativzinsen und damit die Pensionskassen zur Sprache. Auszüge:
Was bringt die heutige «Weltwährungsunordnung», wie Sie es nennen, der Schweiz?
In der Schweiz sind wir in einer Lage, in der wir bloss reagieren können. Die Schweizerische Nationalbank ist in einem Dilemma. Das erkenne ich an, obwohl ich mich in letzter Zeit gegen ihre Politik ausgesprochen habe. 2011 habe ich die Untergrenzenpolitik empfohlen, was dann einen Monat später zum Glück auch erfolgte. Die Konsequenz einer solchen Politik ist natürlich, dass die Devisenreserven in der Nationalbankbilanz zunehmen.
Und das ist eine heikle Sache?
Die Reserven der Nationalbank müssten als Volksvermögen betrachtet werden, das sinnvoll einzusetzen ist. Die SNB sollte deshalb den grössten Anteil ihrer Fremdwährungen, beispielsweise bis zu achtzig Prozent, in ausländischen Aktien anlegen. Derzeit sind es zwischen sechzehn und achtzehn Prozent. Einen Teil davon könnte sie in Gold und reale Werte investieren. Etwa zehn Prozent könnte sie in ausländischen Obligationen und Geldmarktpapieren belassen.
Sollte die Nationalbank ihre Geldpolitik etwas stärker auf die Struktur der Wirtschaft ausrichten?
Meiner Ansicht nach sollten nicht nur Währungsaspekte oder Überlegungen zu Devisenreserven und Gewinnen oder Verlusten der Zentralbank in Rechnung gestellt werden. In einem kleinen Land wie der Schweiz, das wirtschaftlich eng mit dem Ausland verflochten ist, müssen wir die Lage der realen Wirtschaft berücksichtigen. Nach der Aufhebung der Kursgrenze im Januar habe ich eine Weile mit meiner Kritik gezögert, weil ich das Dilemma der SNB klar vor mir sah, entschloss mich aber dann doch zum Vorbringen von Gegenargumenten. Es geht mir um den Erhalt der realen Wirtschaft, der Pensionskassen, um die Vermeidung von Arbeitslosigkeit. Das wiegt für mich schwerer als die Frage der Reserven in der Nationalbankbilanz.
Sie sehen das Problem nicht bei hohen Fremdwährungsbeständen, sondern bei deren Anlage?
So ist es. Ich habe grob untersucht, was wäre, wenn wir achtzig statt weniger als zwanzig Prozent aller Fremdwährungsbestände Ende 2014 in deutschen Aktien angelegt hätten. Selbst nach der Aufhebung der Wechselkursuntergrenze käme man auf viel geringere Verluste als von der SNB für das erste Halbjahr ausgewiesen. Dass die Rerserven der Nationalbank bald das Bruttoinlandprodukt überschritten hätten, kann man handhaben, und diese Gefahr ist geringer als jene, die für die reale Wirtschaft besteht.
Wie beurteilen Sie die Negativzinsen, die seit Aufhebung der Wechselkursuntergrenze gelten?
Ich halte den Negativzinssatz nicht für so wirksam wie die Nationalbank es tut. Er verursacht grosse Schäden. Das ist wie bei einem Medikament: Es hilft wohl etwas, aber es hat eben auch Nebenwirkungen. Meines Erachtens überwiegen die negativen Effekte. Unsere Pensionskassen sind deswegen unter Druck, um nur einen Aspekt zu nennen. Auch die Ersparnisse der normalen Leute, die aus mangelnder Information nicht in Aktien angelegt haben, sind benachteiligt.