Spätestens per 1. Januar 2013 werden die revidierten IAS 19-Vorschriften in Kraft gesetzt. Dies wird weitreichende Auswirkungen auf die Unternehmensbilanzen gemäss IFRS haben. Unter anderem ist anzunehmen, dass risikoärmere Anlagestrategien bevorzugt werden und Generationentafeln an Bedeutung gewinnen, schreibt Peter Zanella von Towers Watson in der Schweizer Personalvorsorge 05/12. Die im Detail oftmals sehr komplexen Regelungen werden knapp zusammen gefasst und die Konsequenzen für Unternehmen und – indirekt – die Vorsorgeeinrichtung dargestellt.
Mai 23, 2012
“Erst Pension verjubeln, dann beim Staat die hohle Hand machen”
Im Wissen ums Netz der Ergänzungsleistungen setzen viele Schweizer ihr Pensionskassengeld aufs Spiel – mit bösen Folgen für die Steuerzahler. Nun schlagen die Kantone Alarm. Sie wollen das Gesetz ändern, schreibt der Tages-Anzeiger. Der Hintergrund: die Ergänzungsleistungen sind in den letzten 5 Jahren um 40% gestiegen, von 3,1 auf 4,3 Mrd. Franken.
Die Zeitung schreibt: Viele Rentner lassen sich bei der Pensionierung ihr ganzes Pensionskassenkapital auszahlen und verzichten im Gegenzug auf eine Rente. Die meisten legen das Geld mehr oder weniger sinnvoll an. Andere verprassen es für Reisen, ein neues Auto oder eine Hausrenovation. Und wenn kein Geld mehr da ist, beantragen sie Ergänzungsleistungen.
Das sei legal, befand das Bundesgericht 1989 in einem Leiturteil. Darin gab es einer Baslerin recht, die sich bei ihrer Pensionierung rund 87’000 Franken auszahlen liess. Ein gutes Jahr später hatte sie nur noch 700 Franken. Der Rest ging unter anderem für Reisen nach Mallorca, Madeira und New York drauf. Als die Frau Ergänzungsleistungen beantragte, wollte der Kanton Basel-Stadt das verjubelte Vermögen mitberücksichtigen. Doch das Bundesgericht winkte ab: «Das Ergänzungsleistungssystem bietet keine gesetzliche Handhabe dafür, eine wie auch immer geartete ‹Lebensführungskontrolle› vorzunehmen.» Stattdessen müssten die Behörden von den «tatsächlichen Verhältnissen» ausgehen.
Der Kapitalbezug bei der Pensionierung ist weitverbreitet. Rund die Hälfte der Versicherten machen davon Gebrauch – 35 Prozent ganz, 15 Prozent teilweise. Auffallend ist, dass vor allem tiefere und mittlere Einkommensschichten ihr Vorsorgekapital abziehen. Ausgerechnet jene also, die später am ehesten Ergänzungsleistungen beziehen.
VPOD-Magazin: “Die Zukunft der Pensionskassen”
Die Mai-Ausgabe des VPOD-Magazins beschäftigt sich primär mit der 2. Säule. Doris Bianchi, stv. Leiterin des SGB-Sekretariats, schreibt etwas salopp über “Rentensenkung auf saloppe Art?” und stellt dabei fest: “Klar, die Rentenkürzungen (durch die UWS-Anpassung) könnten kompensiert werden. Möglich wäre dies mittels eines höheren Altersguthabens oder weiteren Zuschüssen. Aber beides verlangt höhere Beiträge an die Zweite Säule. Die Bereitschaft der Arbeitnehmenden und der Arbeitgeber, mehr zu bezahlen, ist jedoch heute weit geringer als vor ein paar Jahren.” Woraus zu schliessen wäre, dass eine UWS-Senkung ausser Abschied und Taktanden fällt?
Etwas ausführlicher äussert sich Jorge Serra, VOPD-Zentralsekretär. Unter dem Titel “Kreativität statt Blockadedenken” kommt er zu interessanten Schlussfolgerungen: “Aber im Moment sind die Fronten verhärtet. Der Arbeitgeberverband will nach wie vor den Umwandlungssatz senken und nichts von Mehrkosten wissen. Der SGB droht erneut mit dem Referendum. Damit verkommt der SGB allerdings zur Lobby der über 60-Jährigen; die jüngere Generation geht vergessen. Sie ist es nämlich, die den zu hohen Umwandlungssatz für die Neurenten finanzieren muss. Und schon heute wird das Kapital der Rentner mit 3,5 bis 4 Prozent viel höher verzinst als jenes der Aktiven (1,5 Prozent). Eine kalte Enteignung der jüngeren Generation findet also statt! Etwas mehr Kreativität statt Blockadedenken wäre deshalb wünschenswert. Klar ist aber auch: Wenn die Zinsen nicht wieder steigen und die Pensionskassen auf ihren Vermögen keine vernünftige Rendite (mehr) erzielen können, wird das Vertrauen in die Zweite Säule vollends schwinden. Stimmen, die sagen, jeder Franken, den man in die berufliche Vorsorge investiere, sei ein Franken zu viel, werden dann noch lauter.”
Vor dieser ungewohnten Attacke auf den Gewerkschaftsbund listet Serra allerdings – wohl als versöhnliche Geste – alle die offiziellen Vorbehalte des SGB gegen die UWS-Senkung auf, inkl. “absolut ungenügende” biometrische Daten, nur vorübergehend tiefes Zinsniveau, hohes Einsparpotenzial bei den Vermögensverwaltungskosten, undurchsichtiges Verhalten der Versicherungen. Aber das Beharren darauf, dass erst alle diese Fragen und Probleme gelöst werden müssten, bevor das Thema Umwandlungssatz wieder angegangen werden darf, ist natürlich genau Teil der SGB-Strategie, dessen Behandlung so lange wie möglich zu blockieren.
Und schliesslich äussern sich zwei Mitglieder der Anlagekommission der PK der Stadt Zürich in einem höchst aufschlussreichen Interview ausführlich über die Schwierigkeiten, derzeit für eine Pensionskasse eine anständige Rendite zu erzielen.
Inflation, Deflation oder weiter wie bisher?
An der Swisscanto-Tagung präsentierte Peter Bänziger, Leiter Asset Management, die anlagetechnischen Ergebnisse und zeichnete mögliche Szenarien künftiger Entwicklung unter Berücksichtigung der massiven Geldmengenausweitung auf.
Die schon in früheren Jahren Stabilität bei der Asset Allocation hat sich auch 2011 fortgesetzt. Die zu beobachtenden Verschiebungen fanden statt bei einer Verringerung des Anteils der Obligationen Schweiz sowie einer Zunahme der Immobilien sowie der Aktien Ausland. Die Alternativen Anlagen wurden ebenfalls nochmals leicht ausgebaut. Der Anteil der Liquidität bleibt hoch und übertrifft die Zielquote um deutlich mehr als das Doppelte.
Das Berichtsjahr verlief enttäuschend und die Aussichten sind keineswegs rosig. Sorgen bereitet Bänziger das enorme Inflationspotenzial, das von der Nationalbank aufgebaut wurde. “Die Schweizerische Nationalbank hielt zwischen 2000 und 2009 etwa 50 Mia. Franken an Devisenreserven. Diese haben sich seither verfünffacht – und bei einem Test der Marke von 1.20 könnten sie nochmals deutlich ansteigen. Ein Anheben dieser Untergrenze wäre aus meiner Sicht sehr riskant, wenn nicht unverantwortlich.”
Was bedeutet das nun?”, fragte er. Seine Antwort: “Das letzte Mal hatte die SNB Ende der 70er Jahre einen Mindestkurs gegen die damalige Deutsche Mark festgelegt, dies nach einer starken Aufwertung des handelsgewichteten Frankens. Mit einer Verzögerung hatte sich die Geldmenge M2 stark erhöht. Dies führte wiederum mit einer gewissen Verzögerung zu einem deutlichen Anstieg der Inflation von 0.5 bis über 7%. Auch Ende der Achtziger Jahre sieg M2 deutlich an – und auch damals stieg die Inflation auf über 6 Prozent an. Damit ist das Risiko erheblich, dass sich die Geschichte nach der Festlegung der Untergrenze von 1.20 gegen den Euro wiederholt.
Grosse Gefahren ortet er angesichts dieser Situation bei den Obligationenportefeuilles. Sein Fazit: “Das entstandene asymmetrische Zinsrisiko zusammen mit dem aufgebauten Inflationspotenzial ist aus meiner Sicht das Hauptrisiko für die Pensionskassen. Eine Überarbeitung der Obligationenstrategie ist dringend und wichtig.” Kommt hinzu das generelle Problem “Euro”, womit die Komplexität der Situation für die Anlageverantwortlichen nochmals erhöht wird. Als Ausweg bieten sich primär Aktien an. Bänzigers Einschätzung: Aktien sind die attraktivste Anlageklasse – aber verlangen Nerven für die Anleger.
Die Umfrage zeigt auf, dass generell von einem Andauern der herrschenden Verhältnisse mit tiefen Zinsen und einer geringen Inflation ausgegangen wird. Von einer stark steigenden Inflation ging kein Teilnehmer aus und 35% erwarten leicht steigende Preissteigerungen. Alle übrigen Teilnehmer erwarten eine konstante, teilweise fallende Inflation.
Wie setzen die Kassen ihre Erwartungen konkret um? Zum Schutz vor Inflation werden
Realwerte wie Immobilieninvestitionen und Aktien von 72% bzw. 60% der Teilnehmer
genannt. Es folgen Rohstoffe (40%) und Cash (37%) sowie Gold (31%). Inflationsgeschützte
Anleihen und vor allem Staatsanleihen kommen erst am Schluss und spielen damit nur eine
untergeordnete Rolle.
Swisscanto: PKs zehren von der Substanz
Die unbefriedigenden Vermögenseträge bei unvermindert hohem Leistungserfordernis haben 2011 zu einem Substanzverlust bei den Vorsorgeeinrichtungen geführt, machte Othmar Simeon, Leiter der Swisscanto Vorsorgeberatung, an der Swisscanto Tagung 2012 deutlich. Der gesetzliche Mindestzins belief sich auf 2%, inkl. Zuschlag für die steigende Lebenserwartung ergibt ein Renditeerfordernis angesichts der abgegebenen Leistungsversprechen im Durchschnitt von über 3,7%. Erzielt wurden im vergangenen Jahr aber lediglich –0,3%, womit sich für die Kassen die Notwendigkeit zum Rückgriff auf die Reserven ergab, der sich wiederum in rückläufigen Deckungsgraden ausdrückt. Diese erreichten Ende vergangenen Jahres bei den privaten Kassen im Schnitt 103%. Auch wenn sich zwischenzeitlich eine gewisse Entspannung eingestellt hat, so verbleibt doch eine deutliche Lücke zur vollen Deckung mit ausreichenden Schwankungsreserven. Es kann nicht erstaunen, dass unter diesen Umständen bei vielen Kassen Sanierungsmassnahmen einen “Dauerbrenner” bilden, wie sich Simeon ausdrückte. Derzeit führen 38% der öffentlichen und 19% der privaten Kassen solche Massnahmen durch.
Swisscanto-Umfrage: BV zwischen Versicherungstechnik und Politik
P.W. Swisscanto hat an einer Präsentation in Zürich die Resultate ihrer 12. Umfrage bei den Schweizer Pensionskassen präsentiert. Diese erweist sich erneut als umfassende und unverzichtbar gewordene Quelle einer Vielzahl von Detailangaben über die 2. Säule, welche sonst nicht greifbar wären. Die Vorstellung der Ergebnisse war traditionell begleitet von einer Podiumsdiskussion, welche das Spannungsfeld aufzeigt, in welcher sich die Vorsorge abspielt. Bei den Teilnehmern handelte es sich um Vertreter der Sozialpartner, Fachverbände, PK-Experten und Verwaltung, womit das massgebliche Spektrum noch keineswegs vollständig abgebildet wurde.
Colette Nova hatte ein weiteres Mal Auskunft zu geben über den Einfluss ihres Frontenwechsels von der Gewerkschaft ins Bundesamt und einen damit verbundenen, allfälligen Meinungswandel bezüglich Umwandlungssatz. Das Thema dürfte sie noch geraume Zeit verfolgen, zumal man hierzulande wenig geneigt ist, eine einmal vorgenommene Schubladisierung der Akteure zu überdenken. Dass ihr Wechsel so bedeutsam erscheint, ist aber auch Ausdruck davon, wie immens die Politisierung der 2. Säule geworden ist, welche die eigentlich zentralen aktuarischen Aspekte zunehmend in den Schatten stellt.
Davon sind neuerdings sogar die Sterbetafeln betroffen, welche vom Gewerkschaftsbund angezweifelt werden. Aber die kritisierten Unterschiede zwischen VZ 2010 und BVG 2010 sind minim, worauf Patrick Spuhler (Swisscanto) verwies. Würden “amtliche” Grundlagen, wie sie Jorge Serra, Zentralsekretär des VPOD, sich wünscht, anders herauskommen? Wohl kaum. Auch die vom SGB erhobene Forderung, für eine UWS-Senkung sei die Sterblichkeit für die Versicherten im BVG-Obligatorium resp. für Angehörige mit körperlich anstrengenden Berufen gesondert zu erheben, dürfte keine wesentlichen Differenzen zu Tage fördern. Nova jedenfalls äusserte dazu ihre Zweifel. Anfragen bei Kassen mit hohem “Büezer”-Anteil hätten keine tiefere Lebenserwartung gezeigt.
Eine gewisse Übereinstimmung bezüglich einer künftigen UWS-Senkung liess sich in der Forderung nach flankierenden Massnahmen erkennen, wie sie auch Hanspeter Konrad (Direktor ASIP) vertrat. Ob allerdings die von einer Senkung konkret betroffenen Versicherten (es handelt sich um eine relativ kleine Minderheit) auch bereit sind, die damit verbundenen Kosten zu tragen, ist ungewiss. Und ungewiss ist laut Spuhler insbesondere, ob die jeweiligen Arbeitgeber dazu in jedem Fall in der Lage wären. Es fehlten dafür die bei grossen Kassen vorhandenen “Puffer”.
Wie wird es weitergehen? Das BSV ist derzeit mit der Auswertung der Anhörung zum bundesrätlichen Zukunftsbericht beschäftigt. Laut Nova gehen die eingegangenen Meinungen weit auseinander. Damit kommt der Bundesrat nicht darum herum, seine eigenen Vorgaben zu formulieren. Diese scheinen noch längst nicht ausformuliert.