Erich Solenthaler interviewte für den Tages-Anzeiger den Ökonomen Johannes Binswanger. Neben vielem anderen ging es auch um die Altersvorsorge in der Schweiz. Ein Auszug aus dem Interview:

Viele Schweizer beziehen einen erheblichen Teil des Vorsorgekapitals aus ihrer Pensionskasse. Was sagt der Ökonom dazu?
Binswanger: Für Leute, die in der zweiten Säule ein geringes Kapital angespart haben, ist dieses Verhalten sinnvoll, denn sie können das bezogene Kapital ausgeben und danach AHV-Zusatzleistungen beanspruchen. Sie nehmen nur opportunistisch und ganz legal ihre Rechte wahr und profitieren davon, dass in dieser Frage die AHV nicht sehr schlau konzipiert worden ist. Für Leute mit einem hohen Alterskapital trifft aber das Gegenteil zu. Weil der Umwandlungssatz der Pensionskassen aus politischen Gründen zu hoch angesetzt ist, fahren gut gestellte Personen mit einer Rente besser. Der Gegenwartswert einer Rente übersteigt in vielen Fällen das bezogene Kapital. Dieser Zusammenhang dürfte den Wenigsten bewusst sein.

Sie meinen also: Wer das Kapital bezieht, hat schlecht gerechnet?
In dieser Frage stellt einem die Psychologie eine Falle. Wie Experimente zeigen, ist es für viele Menschen attraktiver, eine grosse Summe zu erhalten als viele kleine Beträge mit dem gleichen Wert. Grund dafür ist der sogenannte Zinseszinseffekt. Der Zinseszins liegt der Umrechnung einer Kapitalsumme in eine gleichwertige Rente zugrunde. Menschen, die den mathematischen Zusammenhang nicht verstehen, haben intuitiv grosse Schwierigkeiten, den Zinseszins abzuschätzen.

 Tages-Anzeiger