Sie haben jahrelang geschuftet und in die Pensionskasse einbezahlt – jetzt stehen Dutzende Arbeiter ohne Geld da. Ein mutmasslicher Betrüger hat ihre Vorsorgemillionen eingesackt. Die Liste der Betroffenen ist in den letzten Wochen länger und länger geworden. Allein dem Beobachter liegen 40 Fälle vor. Sie gleichen sich bis ins Detail. Betroffen sind durchwegs italienische Arbeiter, die sich an das Patronat Inca (Istituto Nazionale Confederale di Assistenza) gewendet hatten. Diese Beratungsstelle der italienischen Gewerkschaft CGIL unterstützt Italiener in der Schweiz in sozialen, administrativen und rechtlichen Fragen. Büroleiter der Zürcher Niederlassung war A. G. (alle Namen der Redaktion bekannt), der 22 Jahre für Inca gearbeitet hat. Er galt als kompetent, umsichtig und charmant.

Die von A. G. eingereichten Auszahlungsanträge ziert jeweils ein Stempel des italienischen Konsulats in Zürich. Er sollte als Beglaubigung der Unterschriften dienen. Doch gemäss Konsulat entspricht dieser Stempel nicht der Norm; er sei «ungültig und somit nichtig». Doch trotz den verschiedenen Ungereimtheiten überwiesen die Versicherungen und Banken die gesparten Gelder prompt – auf ein Konto von A. G. Involviert sind unter anderem Swiss Life, Axa Winterthur, Zürich sowie Freizügigkeitsstiftungen der Neuen Aargauer Bank, von UBS, CS und ZKB.

Rita Schiavi, Präsidentin von Inca und Geschäftsleitungsmitglied der Gewerkschaft Unia, nennt ihren einstigen Büroleiter «einen schweren Wirtschaftskriminellen, der das Vertrauen schamlos missbraucht und uns als Deckmantel für seine Machenschaften benutzt hat». Und kritisiert: «Wegen des unbegreiflichen Verhaltens der Justiz hatte A. G. nach unserer Strafanzeige rund sechs Monate Zeit, Spuren zu verwischen.»

Nicht viel mehr als tröstende Worte gibt es auch von der Beratungsstelle Inca, der einstigen Arbeitgeberin von A. G. Es sei unglaublich, diese Leute hätten jahrelang «gekrampft und gespart, und jetzt ist alles weg», klagt Inca-Präsidentin Rita Schiavi. Gleichzeitig sagt sie: «Wir haben nie Unregelmässigkeiten festgestellt.»

Erst im Nachhinein habe die Inca bemerkt, dass A. G. intern die Post abgefangen und sämtliche Unterlagen bei sich zu Hause aufbewahrt habe. «Wir können keine Verantwortung übernehmen. Unser Verein hat kein Vermögen, Löhne und Mieten werden vom italienischen Staat bezahlt», erklärt die Präsidentin.

Beobachter