325  28. November 2016       
      
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KOMMENTAR

100 Prozent

Wer des Lesens mächtig ist und in letzter Zeit eine Zeitung in die Hand genommen hat, dürfte unweigerlich über den Begriff «postfaktisch» gestolpert sein. Was genau er umschreibt, scheint nicht völlig bekannt oder ist zumindest umstritten. Was wesentlich zu seiner rasanten Karriere beigetragen haben dürfte. Irgendwie soll damit gesagt sein, dass etwas nicht ganz oder auch gar nicht stimmt. Womit sich weite Bereiche unserer realexistierenden Lebenswelt treffend charakterisieren lassen.

Wenn beispielsweise mein lokaler Energieversorger (die Basler IWB) behauptet, der von ihm gelieferte Strom komme zu 100% aus erneuerbaren Quellen, dann ist das schon deshalb mit Vorsicht zu geniessen, weil es sich de facto um einen Staatsbetrieb handelt. Und in der Tat, die 100% sind nicht physikalisch zu verstehen, wie in Erfahrung zu bringen war, sondern buchhalterisch. Rein physisch kommt der Strom von überall her, wo Strom überhaupt erzeugt wird und kein Mensch kann die Herkunft der ewig wandernden Elektronen bestimmen. Aber da zum Glück unser Oeko-Bewusstsein eine rein buchhalterische Angelegenheit ist, spielt das auch keine Rolle. Und das mit den 100% verbuche ich unter postfaktisch.

Noch interessanter wird es, wenn dieselbe IWB mir empfiehlt, die neue Gasheizung ganz oder mindestens teilweise mit Biogas betreiben. Je mehr Bio, umso teurer, natürlich. Der Anteil ist staffelbar, dito der Preiszuschlag. Das hat den Schreibenden doch einigermassen verblüfft, denn zweifellos verläuft durch die Strasse vor dem Haus lediglich eine Gasleitung. Wie die unterschiedliche Mischung in den heimischen Brenner gelangen soll, ist schleierhaft. Das macht skeptisch. Und wenn diese IWB mir dann auch noch treuherzig versichert, die Qualität des gelieferten Gases sei ganz unabhängig vom Bio-Anteil, dann weiss ich als Kunde, was der Lieferant von meiner Intelligenz hält. Er geht nämlich von deren vollständigen Absenz aus.

Wir haben es zweifellos erneut mit buchhalterischem Umweltschutz zu tun, der vorwiegend der Bilanz des Verkäufers dient. Und wahrscheinlich liege ich richtig mit dem Verdacht, dass das Angebot ebenfalls in die Kategorie postfaktisch gehört. Alle bekommen natürlich das exakt gleiche Gas geliefert, aber gewisse Abnehmer sind aus unerfindlichen Gründen bereit, mehr als andere dafür zu bezahlen. Oder aber, um es in die unsterblichen Worte meines Mathematiklehrers zu kleiden: sie wurden ärgster Verseckelung Beute.

Wehren wir uns dagegen, solange in Zeiten von Brexit und The Donald die tonangebenden Eliten noch an ihrer postfaktischen Realitätsverzerrung laborieren.

Peter Wirth, E-Mail

PS 1: Jetzt fragen Sie sich wahrscheinlich und zu Recht, was das alles mit der beruflichen Vorsorge zu tun hat, der doch unsere vordringliche Sorge gilt. Meine Antwort darauf besteht in einer Hausaufgabe an Sie, geschätzte Leserin, geschätzter Leser: Finden Sie bis zum nächsten Newsletter in ihrer Medienlektüre mindestens drei postfaktisch-verdächtige Aussagen zum Thema 2. Säule und lassen Sie uns davon wissen.

PS 2: Übrigens erscheint dieser nächste Newsletter erst am 19. Dezember, Grund sind Ferien Ihres Redaktors. In diesem Moment, da Sie diese Zeilen lesen, befindet er sich bereits auf hoher See und damit in Sicherheit vor Kritk jeglicher Art.

PS 3: Wir wollen die Altersvorsorge 2020 nicht ganz vergessen. Hinter den Kulissen wird derzeit heftig gerungen. Wird im Parlament jedoch auf stur geschaltet und die 70 Franken-Frage zum Mass aller Dinge erhoben, dann ist ein Scheitern in der Schlussabstimmung nicht auszuschliessen. Es gäbe aber noch Alternativen. Es bleibt spannend.
 


 

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