Andreas Valda und Markus Brotschi versuchen im Tages-Anzeiger, anhand diverser Ökonomen-Zitate aufzuzeigen, dass die AHV der 2. Säule überlegen sei. In Ihrem Artikel heisst es:

Drei von Tagesanzeiger.ch/Newsnet angefragte Ökonomen von politisch unterschiedlicher Orientierung kommen zum gleichen Schluss: «Ohne Verzinsung ist ein Lohnfranken im Umlageverfahren wie das der AHV besser eingesetzt. Ein Umlageverfahren ist in der gegenwärtigen Nullzinsphase der effizientere Weg, um sichere Leistungen zu garantieren», sagt der Basler Finanzmarktprofessor Heinz Zimmermann. Umlageverfahren bedeuten, dass die AHV-Lohnbeiträge direkt auf laufende Renten umgelegt werden. «Es ist klar, dass bei tiefen Zinsen das Kosten-Ertrag-Verhältnis der zweiten Säule schlechter ist. Sie ist deshalb ­weniger effizient und für die Versicherten und Firmen teurer ist als die AHV», sagt der Ökonom und frühere Preisüberwacher Rudolf Strahm. «In der jetzigen Situation ist die Umlagefinanzierung gegenüber der Kapitaldeckung im Vorteil», bestätigt auch der St. Galler Finanzmarktprofessor Manuel Ammann. Kapitaldeckung heisst, dass jeder sein Alterskapital selbst anspart – also die zweite Säule.

Einigkeit herrscht auch in der Frage, wonach die erste Säule das demografische Problem – die Überalterung der Gesellschaft – besser lösen könne. Die zweite Säule könne diese Entwicklung «weniger gut oder nicht auffangen», sagt Strahm. Ammann sagt, sei wohl «nicht geeigneter, die anstehenden demografischen Herausforderungen zu meistern». Er ist überzeugt, dass das in der Schweiz angesparte BVG-Alterskapital nicht beliebig angelegt werden könne. Die Schweiz sei von Kapital gesättigt, sagt Ammann, und es sei «völlig unrealistisch, zu denken, dass eine Gesellschaft grosse Teile ihres Alterskapitals fern der Heimat in wachsenden Volkswirtschaften mit junger Bevölkerung und hoher Kapitalproduktivität erfolgreich anlegen» könne.

Zimmermann kritisiert den von Bundesbern angepeilten Ausbau der zweiten Säule. «Die generelle Erhöhung der ­Sparbeiträge des BVG, wie sie die Altersreform 2020 vorschlägt, sind wenig zielführend, um die Höhe der Renten zu sichern.» Aus ökonomischer Sicht sollten «das Rentenalter erhöht und der Umwandlungssatz gesenkt werden». Vermögende Leute benötigten «kein verbessertes Sicherheitsnetz». Stattdessen sollte der Ausbau der ersten Säule in den Fokus rücken. «Sozialpolitik muss Gegenstand der ersten Säule sein. Dafür eignen sich Kapitalanlagen des BVG nicht», sagt Zimmermann. Die AHV solle verstärkt und die zweite Säule liberalisiert werden. Dies gelte «vor allem unter der Perspektive der Überalterung und stark steigender Gesundheitskosten».

pw. Dass die 2. Säule unter den tiefen Zinsen leidet, ist ein offenes Geheimnis. Aber dass sie schlechter für die demographischen Probleme gerüstet sei als die AHV, wie das Strahm behauptet, ist nur als Abstimmungspropaganda zu werten. Der vielgerühmte Effizienzvorteil der AHV gehört zur nie hinterfragten Sozialversicherungs-Folklore. Primär leidet die BVG-Vorsorge unter dem völlig ausser Kontrolle geratenen Regulierungswahn.

Vor allem aber ist mit den genannten Ökonomen resp. den aufgeführten Zitaten definitiv kein Nachweis zu erbringen, dass die erste Säule der zweiten überlegen sei. Festzustellen ist schliesslich, dass die Oekonomenzunft zu einem der wichtigsten politischen und finanziellen Themen der Schweiz erschreckend wenig beizutragen hat.

  TA